Das Städtchen Arbois liegt fast mitten in der Franche-Comté. Es wird von der Cuisance durchflossen, über die alte Brücklein führen, wodurch eine besonders reizvolle Atmosphäre entsteht. Hier kann man das Elternhaus des berühmten Biologen und Chemikers Louis Pasteur besuchen, das ganz im Zustand des letzten Jahrhunderts belassen wurde. Es gibt auch ein Winzer- und Weinmuseum, denn in der Umgebung wächst einer der großen Weine des Jura, der gelbe Arbois-Wein aus der Savagnier-Traube, der "Strohwein". Aber auch langlebige Rot- und blassgoldene Weissweine werden hier angebaut. In der Domaine de la Pinte lagern sie ausschließlich in Holzfässern und machen dort einen besonderen Umwandlungsprozess durch, der sechs Jahre dauert. Dann sieht der Strohwein wie Sherry aus; er schmeckt auch ähnlich.
In der Grand Rue, der Hauptstraße von Arbois, wohnt Edouard Hirsinger. Er ist Frankreichs bester "Schokoladier". Schon in der vierten Generation verarbeiten die Hirsingers Schokolade. In ihrem Lädchen kann man nur Schokolade und Pralinen kaufen - in abenteuerlichen Formen, kühnen Farben und ganz und gar ungewohnten Geschmacktsvariationen.
Draußen vor der Stadt, an der Straße nach Lyon, liegt das Weingut von Hirsingers Freund Revoltant. Gerade - es ist Mitte Oktober - ist die Traubenlese zu Ende gegangen und die beiden jungen Männer haben Grund zum Feiern. Sie haben sich in einer kreativen Weinlaune etwas ausgedacht, was sie im nächsten Jahr einem größeren Publikum zugänglich machen wollen: eine Weinverkostung der besonderen Art. Nicht Weißbrot oder gar Käse bekommen die Gäste dann zum Wein, sondern Pralinen.
Auf einem silbernen Tablett bringt Edouard seine neuen Kreationen in die Probierstube seines Freundes. Als erstes probieren wir einen Arbois Les Grand Gardes aus dem Jahr 96. Er ist rot und hat eine Silbermedaille gewonnen. Dazu wird eine Süßholzpraline gereicht, die wir nur zögernd im Munde zergehen lassen. Aber siehe da: Es harmoniert vorzüglich. Ein Vin de Paille von 1995 geht mit Orangen-Passionsfrucht-Pralinen einher, zum Goldmedaillen- Vin-Jaune von 1983 essen wir eine Curry-Praline mit Walnuss. Wozu die Praline mit dem grünem Pfeffer gereicht wurde, weiss ich nicht mehr, aber den Sonnenuntergang hinter den Weinbergen von Arbois habe ich in seliger Erinnerung.
Am anderen Morgen ist der Kopf dennoch klar und frisch; in der ehemaligen, jetzt zum Hotel umfunktionierten Getreidemühle "Moulin de la Mére Michelle" am Fuße eines Wasserfalls schläft man tief und traumlos. Ein halbstündiger Fußmarsch bringt uns von hier zu einer aussergewöhnlichen Sehenswürdigkeit - zu der "Grotte des Planches". Diese Höhle liegt in den hohen Felsen eines Steilwandkessels des Jura. Auf 1,8 Kilometern gut ausgeleuchteter Stege geht man in den Berg hinein und wird augenblicklich von dem farbigen, manchmal schäumenden und manchmal stillen Wasserspielen des unterirdischen Flusses gefangengenommen. Manchmal meint man in einer Kunstgalerie zu flanieren, dann wieder ist man in einer fast unheimlichen Mondlandschaft. Strudellöcher und steinerne Orgeln zeigen sich, schlafende Feldermäuse und weisse blinde Fische. Die Felsen leuchten smaragden und türkisblau, das ganze weitverzweigte Höhlensystem ist eine in Europa einzigartige Zusammensetzung sehenswerter Erosionsformen.
Rund 30 000 Menschen aus aller Welt kommen jedes Jahr hierher, um diese unterirdische Wunderwelt zu bestaunen. Und als ich die gut deutsch sprechende, schmächtige, kenntnisreiche Führerin am Schluss des Rundgangs frage, wer denn diese schöne Grotte unterhält, sagt sie mit ganz kleiner Stimme: "Ich, sie gehört mir, denn mein Urgroßvater hat sie 1903 entdeckt und ausgegraben. Niemand wollte Geld dazu geben oder helfen, deshalb machen und unterhalten wir alles selbst. Erst im Jahre 2036 geht die Höhle an den Staat. Aber dann bin ich sicher tot".