Schon um acht Uhr morgens, als wir das kühle englisch-vornehme Hotel in Colombo verlassen, ist es gnadenlos heiss. "Good morning, Madam," sagt Gune, unser Fahrer, und lacht mit blitzenden Zähnen. Sein Hemd und der Sarong sind blütenweiss. Das Auto glänzt.
Noch ein wenig apathisch vom langen Flug und dem ungewohnten Klima versuche ich, mich in dieses Land hineinzufühlen. Zunächst möchte ich die Glasscheibe des Wagens nicht herunterlassen - ich will noch getrennt sein von den vielen kleinen dunklen Menschen da draussen, vom Strassenschmutz, von den hupenden, zerbeulten Autos, den knarrenden Ochsenkarren, dem Gestank und der Hitze in den engen Strassen der grossen Stadt.
Gune wendet sich zu mir: "We drive out town very fast, Madam".
"Yes, please do," sage ich und versuche den Kopf hin und her zu wiegen statt zu nicken. Nicken würde "no" bedeuten und nicht meinem Wunsch entsprechen.
Wir erreichen die Küstenstrasse nach Norden, fahren über Negombo. Bei Puttalam biegen wir ins Landesinnere. In einem Dorf dröhnt Lautsprechergequieke. Über die Strasse sind weiße Schleier gespannt wie ein Baldachin. Es ist das Fest des Heiligen Sebastian - eines ehrwürdigen Katholiken -, das heute fröhlich laut von Buddhisten wie von Hindus gefeiert wird. Religionen und Kastenwesen, Markttag und Verwandtenbesuch in jeder Hütte - alles fließt ineinander. Der Lautsprecher brüllt Lottozahlen. Giftgrüne und dunkelrosafarbene Limonadenflaschen stehen aufgereiht neben flachen, getrockneten Fischen an der Kokosschnur. Nusskerne liegen geschält auf glänzendgrünen Blättern und die Mädchen tragen heute ihre Schuhe, die sie sonst nur am Schultag zum weissen Kleid anziehen dürfen.
In Anuradhapura wächst der älteste heilige Baum der Welt. Über 2200 Jahre ist er alt. Er stammt von einem Ableger des Pipal-Baums, unter dem der junge Prinz Gautama zu Uruvela im 6. Jahrhundert vor Christi den Weg zu den "vier edlen Wahrheiten" suchte. Als er ihn gefunden hatte, gründete er den Buddhismus, eine der verbreitesten Religionen der Welt. Der Ableger des Pipal heisst heute Bodhi-Baum; Bodhi bedeutet "Erleuchtung".
Fortsetzung: Anuradhapura ist ein Heiligtum >>