Reisegeschichten - vorgestern wie übermorgen

von Annerose Lohberg-Goelz

Regensburg    I II III


Gold, Silber und feine Stoffe

Regensburg

Regensburg war immer eine wohlhabende Stadt von großer Bedeutung. Kaiser und Könige, Bischöfe oder Gesandte des "Immerwährenden Reichstages" durchfuhren die alten Gassen in ihren Kutschen. Die Kaufleute, die besonnen mit Gold, Silber und feinen Stoffen handelten, trugen maßgeblich zum Wohlergehen der Stadt bei. Regensburger Handelsherren waren überall hochgeachtet. Auch in Venedig; dort führten sie im Fondache dei Tedeschi, dem Kaufmannshaus der Deutschen, jahrhundertelang sogar den Vorsitz. In ihrer Heimatstadt konnten sie es sich leisten, mächtige Hausburgen zu bauen. Es gab deren über 60. Heute noch kann man 20 sehen. Sie dienten Geschäften und der Repräsentation. Man sieht, wo ihre Vorbilder standen: in Venedig.

Regensburg aus der Flugzeugperspektive

Wo Handel war, herrschte Leben. Man brauchte Herbergen. Auch von ihnen gab es bereits im Mittelalter zahlreiche. Das berühmteste war das "Goldene Kreuz", ein ehemaliges Patrizierhaus, in dem Kaiser Karl V. der schönen Barbara Blomberg begegnete. Ihr gemeinsamer Sohn war Don Juan D´Austria, der Seeheld. Das "Goldene Kreuz" gibt es immer noch, doch man kann dort nur noch Kaffee trinken und "Barbaraküsse", ein Regensburger Konfekt, als Mitbringsel einkaufen. Im "Weißen Lamm" wohnte 1786 Herr von Goethe.

Der schönste Profanbau der Stadt ist das Alte Rathaus. Am Portal sind die Maße der Reichsstadt eingelassen -"der stat eln", die Elle, oder "der stat klafter", das alte Klaftermaß. Im Festsaal tagte von 1663 bis 1806 der Immerwährende Reichstag, das erste deutsche Parlament. Bei Führungen darf man die "Fragstatt", die Folterkammer, sehen und auch die alten Gefängnisse.

Auch die Karmeliten gehören seit langem zur Stadt. In ihrem Kloster, das gar nicht abgeschieden hinter Mauern, sondern mitten in der Stadt am Kornmarkt liegt, klingelt man an der Haustür wie bei Freunden. Oft kommen Leute vom Lande draußen, die zu Einkäufen in der Stadt sind, um sich bei den zwölf Brüdern auszusprechen und ihre Sünden zu beichten. Manchmal, in der Fastenzeit, hören die Mönche geduldig annähernd dreißigtausend Menschen zu. Außerdem stellen sie seit 1721 den echten Regensburger Karmelitengeist her. Keiner von ihnen kennt das ganze Geheimrezept. Pater Winfried gibt lediglich zu, dass das Destillat aus "mindestens zwölf Kräutern" besteht. Nicht alle wachsen im Klostergarten; denn es riecht im Hause nach Nelken und Muskat wie in einer Weihnachtskuchenbäckerei. Das Wässerlein der Klosterbrüder heilt Blähungen ebenso sicher wie Ohnmacht, Herzschwäche oder Rheuma. Der Alkoholgehalt ist beträchtlich, die Flaschen sind winzig.

So lebenslustig wie die Karmeliten scheinen die Leute in Regensburg allesamt zu sein. Beim Essen und Trinken findet man sich in unzähligen Lokalitäten zusammen. Im Historischen Eck "Zur Stritzelbäckerin" beispielsweise oder beim "Kneitinger" am Arnulfplatz, wo das Bier aus großen Fässern gezapft wird. In der "Neuen Wurstkuchel" in der Türkenstraße sitzt man, wenn es in der "Historischen Wurstküche" an der Steinernen Brücke keinen Platz mehr gibt. In beiden sind die Regensburger Rostbratwürste auf einem Berg Sauerkraut ein vorzügliches Mittagessen, vor allem, wenn man noch "Katers Spezialkartoffelsuppe" vorangehen läßt.

Keinen Respekt vor heiligen Hallen hat der "Dampfnudel-Uli". In der ehemaligen Hauskapelle im Baumburger Turm (von 1260) kocht er seine Schmankerln: Kartoffelpuffer mit Kraut oder Apfelmus, aufgezogene Dampfnudeln mit Vanillesoße, Zwetschgendatschi und viele andere sündig guten Dinge. Die Wände seiner gemütlichen Bude hat er mit seinen miesen Schulzeugnissen nebst allerlei Kunst und Kitsch zugehängt.

In diesen Lokalen vergisst man gerne, dass man in Regensburg nichts von der "Leichten Küche" gehört hat. Man findet dafür mehr Atmosphäre und Zuvorkommenheit.

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