Die Zeitungen der Welt berichten im allgemeinen auf der ersten Seite über Politik. Doch auf Guernsey besagt die wichtigste Meldung auf der ersten Seite der einzigen Zeitung, ob und wie weit der Tomatenpreis gefallen oder gestiegen ist. Tomaten sind die wichtigste Wirtschaftsgrundlage der Insel. Gewächshäuser stehen überall. Einst zog man hier Weinreben, an denen Dessert-Trauben fürs englische Festland reiften. Heute wachsen hier die "Guernsey Tom", die vor hundert Jahren als "Liebesapfel" eingeführt wurden, und viele Blumen.
Man hat auf den Kanalinseln schon mit vielem Geld verdient - sehr erfolgreich auch mit Freibeuterei. Es würde zu weit gehen, zu behaupten, dass heute die Touristen ausgebeutet werden. Doch ein Teil der Inselbewohner lebt recht gut davon, dass täglich viele Schiffe aus St. Malo in Frankreich herüberkommen. Deren Bäuchen entströmen - vor allem in den Sommermonaten - unzählige Einkaufsbesessene, die die preiswerten Parfüm- und Tabakläden der Hauptstadt St. Peter Port stürmen und mit vielen Plastiktüten am Abend wieder zurückfahren.
Diese Touristen kaufen auf Guernsey günstig ein, aber sie lernen die Insel nicht kennen. So seltsam es klingt: Man braucht dazu länger als man glaubt. Das Eiland ist klein - elf Kilometer lang und zehn breit -, aber man ist dort keineswegs gleich zuhause. Erst einmal wird man müde; jeden Tag ein bisschen mehr. Dabei war man so voller Tatendrang und Entdeckerlust, als man hierhergeflogen war. Sehr viel wusste man von diesen Inselchen nicht, von denen es eine ganze Reihe zwischen England und Frankreich gibt. Und wenn man sich von denen eine Vorstellung machte, dann dachte man eher an Wind, Regen und graue Stimmung.
Das Gegenteil ist der Fall. Es ist mild und lieblich dort. Eine freundliche Sonne scheint, die Strandpromenade hat viele Farben, kleine Jachten dümpeln im Hafen von St. Peter Port - Rivieraatmosphäre und Nichtmillionäre. Aber zwischen den geschäftigen Leuten in der kleinen Hauptstadt und den Hausfrauen mit ihren Einkaufstauschen, die mitten auf der Straße ein Schwätzchen machen, fallen die Touristen nicht auf. Nicht unangenehm jedenfalls.
Winkelgassen mit Kopfsteinpflaster führen in St. Peter Port hügelig überall hin. Ein wenig abseits liegen die hübschesten und interessantesten Antiquitätenläden. Es ist lohnend, sich umzuschauen und zu stöbern.
Der französische Dichter Victor Hugo, der zeitweise auf Guernsey lebte, wird hier noch heute sehr verehrt. Sein Haus in der steilen Hauteville-Straße gehört zwar der Stadt Paris, wird aber von Guernsianern voll Hingabe instandgehalten und den zahlreichen Besuchern vorgeführt. Die Räume sind fast so belassen, wie sie waren, als Victor Hugo das Haus 1870 verließ - angefüllt mit Kostbarkeiten aus allen Ländern der Welt, seinen Büchern und den täglichen Utensilien des Dichters. Sein Standbild steht in den "Candie Gardens", dem gepflegten schönen botanischen Garten über St. Peter Port. Dort sieht man ihn, wie er in seinem wehenden Umhang über die Insel zu marschieren pflegte.
Wer sich für Hexen interessiert, kann im Royal Court in den Akten nachlesen, was sie hier getrieben haben. Sie scheinen auf Guernsey recht verbreitet und mächtig gewesen zu sein. Die Westküste wird noch heute von vielen Einheimischen als Hexenland angesehen. Auf einem der vielen Dolmen, den vorgeschichtlichen Steingrabmälern, von denen es auf Guernsey zahllose gibt, fand regelmäßig der Hexensabbat statt.
Ein anderer, der 3000 Jahre alte Dehusdolman, enthält ein ausgezeichnet erhaltenes Ganggrab mit einer prähistorischen Felsmalerei.
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