Reisegeschichten - vorgestern wie übermorgen

von Annerose Lohberg-Goelz

Neckartal    I II III IV

Heidelberg war sein bevorzugter Standort

Neckar - Mark Twain

Hübsche Häuschen säumen die Dorfgasse. In der Chocolaterie im "Gasthaus zur Burg" kann man heiße französische Schokolade trinken und hauchzartes Gebäck von Eva Hess essen, der jungen Patissière, sowie deren eigenwillige Confiture-Kreationen kaufen. Sie ist hier oben geboren und gehört zu den Kreativen dieses Landstrichs, dessen stille Schönheit oft unbemerkt bliebe, wären da nicht diese geheimnisvollen Kräfte, aus denen-manche Menschen ihre Ideen schöpfen und umsetzen können.

Heidelberg corr

Mark Twain scheint das gespürt zu haben, als er hier reiste. Er hat sich die Legenden und Sagen erzählen lassen, er hat die Burgen erwandert (die Weiber von Weinsberg haben ihm besonders imponiert), er stieg in die Geisterhöhlen ein. Und er redete mit den Alten, die noch die Geschichte kannten, denn er sprach einigermaßen deutsch.

Heidelberg war immer wieder sein bevorzugter Standort. Er liebte die Universitätsstadt: "Man glaubt, Heidelberg mit seiner Umgebung sei bei Tag das Höchstmögliche an Schönheit. Aber wenn man Heidelberg bei Nacht sieht, dann braucht man Zeit, um sich das Urteil noch einmal zu überlegen. Da lag die Stadt am Fluss hingestreckt, und ihr verwickeltes Straßennetz war mit blitzenden Lichtern geschmückt. Und drüben am Rande dieses ganzen Märchenbildes blinkte und glühte eine dichte Menge von Gaslichtern; es war, als wären alle Diamanten der Welt dort ausgebreitet worden. Ich hatte nicht gewußt, dass sich eine halbe Meile sechsfacher Eisenbahngleise als solch ein Schmuck ausnehmen könnte."

Touristen aus aller Welt zieht es heute noch zur Schlossruine und zum berühmten Großen Fass, das 1752 zum erstenmal mit Zehntwein aus der Pfalz gefüllt wurde. Die Schätzungen variieren zwischen 188 000 und 222 000 Liter - immerhin ist das Fass sieben Meter breit und 8,50 Meter lang. Heute ist es leer.

Auch Mark Twain hat sich so seine Gedanken über das berühmte Heidelberger Renaissance-Schloss gemacht: "Das Schloss muss sehr schön gewesen sein, bevor es die Franzosen vor zweihundert Jahren beschossen, übel zurichteten und verbrannten. Aus einer schwellenden Woge leuchtendgrünen Laubwerks erhebt sich die gewaltige Ruine mit leeren Fensterbögen, efeugepanzerten Zinnen, verwitternden Türmen - verlassen, entthront, sturmgepeitscht, aber noch immer fürstlich und schön. Es ist ein prächtiger Anblick, wenn das Abendsonnenlicht plötzlich den belaubten Abhang am Fuße des Schlosses trifft, an ihm emporschießt und es wie mit leuchtendem Gischt übergießt, während die angrenzenden Gehölze in tiefem Schatten liegen."

Der Karzer für die Studenten hatte es ihm besonders angetan - er fand die Gründe, weswegen sie darin eingesperrt wurden, höchst amüsant, und er verbrachte viele Stunden darin, um die Inschriften an den Wänden zu entziffern. Genau wie die Touristen heute.

Den Neckar und seinen Verlauf hat er zu allen Tag und Nachtzeiten beobachtet. Aus der Distanz und mit leichter Ironie hat er seine Erlebnisse in wirbelnder Erzählkunst verarbeitet - nicht unbedingt der Historie oder der Geographie folgend, aber immer wieder lesenswert und nachvollziehbar bis zum heutigen Tag.

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